Berlin Gesture Center | Ringvorlesung Bedeutung in Geste, Bild und Text
Vortrag von Reinhard Krüger (Universität Stuttgart):
Inszenierte Gesten Auswertung eines französischen Ansichtskartenkorpus (19001920) | Staging gestures Enquiries of a corpus of French picture-postcards (1900-1920)
Mittwoch, 17. Januar 2007, 18 Uhr, Franklinstr. 28-29 (Raum FR 3533), 10587
Berlin
Achtung: Der Vortrag von Reinhard Krüger fällt leider aus.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein Corpus von ca. 4500 französischen
cartes de fantaisie aus der Zeit zwischen 1900 und 1920. Neben den üblichen
Ansichtskarten mit Gebäuden oder Straßenszenen, spielen in der frühen
Geschichte der Postkartenkommunikation Phantasiekonstruktionen, Montagen, Collagen
aber auch Inszenierungen von Kommunikation eine bedeutende Rolle.
Gegenstand dieser Inszenierungen von Kommunikation sind das Sprechen, das Schreiben,
das Telephonieren, das Telegraphieren, das Reisen und auch das Gestikulieren.
Gesten können an den Adressaten der Postkarte gerichtet sein, sie können
aber auch als kommunikative Handlungen zwischen zwei oder mehreren Gestalten
auf der Postkartenabbildung dargestellt sein. Da diese Gesten nicht in alltäglicher
Kommunikation photographiert worden sind, sondern als kommunikative Artefakte
für die Photographie ausgewählt und in Szene gesetzt worden sind,
zeigen uns die Ansichtskarten eben jene Momente aus dem Fluß der gestischen
Kommunikation, in denen sich nach der Auffassung der Gestalter dieser Postkarten
die ganze Geste morphologisch konkretisiert und das größte Maß
an Eindeutigkeit erreicht.
Auf diese Weise gewähren uns diese Postkarten einen Einblick in die historische
Konfiguration der französischen Körpersprache zwischen 1900 und 1920.
Dabei sind Differenzen zum heutigen Gebrauch ebenso auffällig wie morphologische
Varianten, die heute nicht mehr anzutreffen sind. In diesen Abweichungen jedoch
manifestiert sich die Mikrodynamik des Wandels semiotischer Systeme im Prozeß
ihrer Tradierung in der Zeit und daher auch der Geschichte menschlicher Kommunikation.
The starting point of this conference is a corpus of about 4.500 French fancy
picture-postcards from the period between 1900 and 1920. In the early times
of the history of the postcard, we find beneath the usual views of buildings
and streets fancy constructions, montages and collages but also pictures
of means of communication that play an important roll in the early history of
the picture-postcard.
Mostly there are to be seen acts like speaking, writing, ringing up somebody,
sending telegrams, travelling and gesturing. These gestures may be directed
to the addressee of the postcard, but hey may also be seen as communicative
acts between persons in the image of the postcard. Those gestures have not been
taken in everyday communication, but they have been inserted in the picture
as communicative artefacts that have previously been selected from natural
gesturing. Therefore the picture-postcards show us the moments in the continuous
articulation of a gesture that according to the photographer might concretise
the gesture and reach the highest degree of disambiguation.
In this way the selected picture-postcards give us a view of the historical
configuration of French body language between 1900 and 1920. There we meet a
different use from the actual one as well as some morphological varieties that
have become out of use today. These differences between former and actual use
are the manifestation of a micro-dynamics of change that undergo semiotic systems
all along the process of tradition which is a matter of time and history of
human communication.