Berlin Gesture Center | Ringvorlesung Bedeutung in Geste, Bild und Text
Vortrag von Cornelia Müller (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder):
Gestische Darstellungsweisen und ihre Bedeutung | Gestural modes of representation and their meaning
Mittwoch, 8. November 2006, 18 Uhr, Franklinstr. 28-29 (Raum FR 3533), 10587
Berlin
Gesten sind keine beliebigen Bewegungen der Hände, sie entstehen nicht
irgendwie beiläufig oder zufällig. Viele der bedeutungsvollen
Bewegungen der Hände greifen auch nicht auf ein Lexikon vorgefertiger
Gestenwörter zurück; viele Gesten entstehen tatsächlich während
des Sprechens, spontan und genau eingepaßt in den Fluß der Interaktion.
So beschreiben Sprecher gestisch Handlungen (das Öffnen einer Ofenklappe),
Gegenstände (ein Bild oder eine Aufschrift), oder Vorgänge (fallenden
Regen, Wind, glitzernde Lichtreflexe). Wie sie dies tun, welche Techniken der
Darstellung sie verwenden, ist Ausgangspunkt des Vortrags.
Der Vortrag führt zunächst in diese Weisen gestischer Darstellung
ein und erörtert sodann deren Bedeutung für eine (kognitiv-) linguistische
Analyse von Gesten. Dabei wird deutlich werden, daß Sprecher zwischen
verschiedenen Darstellungsweisen wählen können und daß sie damit
Perspektivierungen auf Bezugsobjekte vornehmen, die sowohl sprecherseitige Fokussierungen
deutlich werden lassen als auch auf interaktive Notwendigkeiten reagieren. Schließlich
wird darauf einzugehen sein, daß Darstellungsweisen auf bestimmte Gestentypen
spezialisiert zu sein scheinen - ein Umstand, der sich auch in der
Ontogenese von Gesten zeigt. Gesten sind eben keine chaotischen Zufallsprodukte
unruhiger Sprecher, sie sind kreative Abstraktionen und ihre Genese folgt systematischen
Prinzipien. Die Weisen der Darstellung sind die Techniken ihrer Herstellung.
Gestures are no random movements of the hands, they do not come into being in
an accidental manner. Moreover, many of those meaningful movements of the hands
do not rely on a dictionary of prefabricated gesture words;
many of them indeed evolve during speech, as spontaneous creations but finely
tuned to and embedded into the flow of interaction. Speakers gesturally describe
actions (the opening of an oven), objects (a picture or a writing on a wall),
or events (rain falling down, wind blowing, or shimmering light). How they do
this, which techniques of representation they use, will be the point of departure
of this lecture. The lecture will begin with the different modes of representation
and then discuss their significance for a (cognitive-) linguistic analysis of
gestures. It will be argued that speakers may choose between different modes
of representation and that in doing so they establish different
perspectives onto their objects of reference. Those perspectives reveal the
speakers focus as much as what is interactively demanded.
Furthermore it will be suggested that the modes of representation seem to be
specialized for specific types of gestures an aspect of gesture,
which is also reflected in the ontogenesis of gestures. Gestures are clearly
no chaotic accidental products of nervous speakers, they are creative abstractions
which follow systematic and well-structured principles of gesture genesis and
the modes of representation are the techniques of construction.